28.09.2023
Autor: Wolfgang Heumer
Die Bahn ist eines der wichtigsten Verkehrsmittel, um Bremerhaven mit der Welt zu verbinden: Gut die Hälfte der jährlich im Hafen umgeschlagenen sechs Millionen Seecontainer rollt über die Schiene von und zu den Terminals. Auf der langen Strecke quer durch Deutschland und Europa werden die Züge häufig umweltfreundlich von Elektroloks gezogen, die mit Ökostrom betrieben werden. Doch im Hafen gibt es bislang noch keine Alternative zu den Rangierloks, die aus ihren Dieselmotoren jede Menge klimaschädliches Kohlenstoffdioxid in die Luft blasen. „Wir tun alles dafür, dass sich das schon bald ändert“, sagt Professor Benjamin Wagner vom Berg, Leiter des Smart Mobility Institutes (SMI) der Hochschule Bremerhaven.
Gemeinsam mit dem Zughersteller Alstom, dem niedersächsischen Verkehrsunternehmen EVB sowie den Hafenmanagern von bremenports und der Hamburg Port Authority (HPA) erforscht Wagner vom Berg in einem Projekt die Grundlage dafür, die rollenden Kraftpakete für den Rangierbetrieb auf Wasserstoff als Treibstoff umzurüsten. Der Vorteil: „Als ‚Emission‘ entsteht bei der Nutzung nur Wasserdampf“, sagt der Mobilitätsexperte. Also klimaneutral.
Wasserstoff als vorherrschendes Zukunftsthema in Bremerhaven
Wasserstoff ist als Thema allgegenwärtig in der Seestadt Bremerhaven. Mehrere Forschungsinstitute und Forschungsinitiativen befassen sich damit, wie das gasförmige Element mit Hilfe erneuerbarer Energien produziert und genutzt werden kann. Auf den drei Bahnhöfen in der Stadt können wartende Fahrgäste bereits eine praktische und richtungsweisende Nutzung beobachten: Fast im Stundentakt gehen von dort mit Wasserstoff betriebene Nahverkehrszüge auf ihre Reise durchs Elbe-Weser-Dreieck. Nachdem sich die Technologie während einer zweijährigen Versuchsphase bewährt hat, rollen nun 14 Züge vom Typ Alstom Coradia iLINT auf den EVB-Gleisen zwischen Bremerhaven, Cuxhaven und Buxtehude - es ist die weltweit erste Flotte von Wasserstoffzügen im regulären Betrieb. „Das ist doch eine saubere Sache“, sagt Christian Glauner, Teamleiter Triebfahrzeugführer des niedersächsischen Verkehrsunternehmens EVB.
Das klima- und umweltfreundliche Beispiel aus dem Personennahverkehr soll nun im Güterbereich Schule machen. Allerdings lassen sich die Erfahrungen aus dem Einsatz der Nahverkehrszüge nicht einfach auf den Rangierbetrieb übertragen, der ganz anderen Bedingungen ausgesetzt ist. Deswegen erfasst das Smart Mobility Institute als Voraussetzung für eine künftige Weichenstellung Richtung Klimaschutz die Rahmenbedingungen der Rangierarbeit: „Rangierloks sind ganz anderen Belastungen ausgesetzt als gleichmäßig fahrende Nahverkehrszüge“, erläutert Professor Wagner vom Berg. Die rollenden Kraftpakete müssen binnen kurzer Zeit hohe und zudem schnell wechselnde Leistungen erbringen und genauso schnell wechselnde Strecken zurücklegen. Außerdem fahren sie beispielsweise nicht nach festem Fahrplan, sondern auf Anforderung und nach Bedarf.
Dutzende von Sensoren liefern Daten über den Alltag einer Rangierlok
Das Leistungsprofil einer Rangierlok ist wesentliche Voraussetzung für die künftige Gestaltung von Fahrzeugen mit klimafreundlichem Antrieb sowie für das gesamte System rund um den Rangiereinsatz: „Der Betriebsablauf darf schließlich nicht durch lange oder häufige Tankvorgänge gestört werden“, beschreibt Wagner vom Berg eine der zu lösenden Aufgaben. Für das vom Bundesministerium für Digitales und Verkehr geförderte Forschungsvorhaben stattete das Team des Smart Mobility Institutes eine regulär betriebene Rangierlok vom Typ Vossloh G1000 umfangreich mit Sensoren aus, die sämtliche Aspekte des Fahrbetriebs erfassen. Zunächst war die Lok auf der Bremischen Hafenbahn in Bremerhaven und Bremen im Einsatz; jetzt soll sie auch im Hamburger Hafen fahren.
Forschungsergebnis als Basis für die Lok der Zukunft
Die Auswertung der Daten aus dem regulären Betrieb soll konkrete Hinweise für das Konzept für Rangierloks der Zukunft liefern. „Wir möchten die effizienteste Lösung für die Umstellung auf Wasserstoff ermitteln“, definiert Wagner vom Berg das Projektziel. An Hand der von seinem Institut gewonnenen Daten kann Hersteller Alstom das Design für die Lok der Zukunft entwickeln. Und die muss kein Neubau sein: „Ein Retrofit bestehender Lokomotiven ist genauso gut denkbar“, sagt der Mobilitätsexperte. Rangierloks sind häufig 30 und mehr Jahre im Einsatz. Bestehende Fahrzeuge umzurüsten, kann daher wirtschaftlich sinnvoll sein. Zudem sind verschiedene Antriebssysteme denkbar: zum Beispiel Elektromotoren mit Strom aus Brennstoffzellen oder für die Verbrennung von Wasserstoff umgerüstete Dieselmotoren. Noch sind viele Wege offen, aber eines ist Professor Walter vom Berg jetzt schon klar: „Am Ende werden wir eine gute Basis dafür haben, dass auch der Rangierbetrieb im Hafen und überall sonst klimaneutral sein kann.“
Pressekontakt:
Prof. Benjamin Walter vom Berg, Leiter des Smart Mobility Institutes an der Hochschule Bremerhaven, www.sh2hunter.de, Mail: benjamin.wagnervomberg@hs-bremerhaven.de, +49 471 - 4823484
Bildmaterial: Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.
Foto 1: Eine EVB-Rangierlok steht im Bremerhavener Überseehafen. © WFB/bremenports
Foto 2: Professor Benjamin Wagner vom Berg ist Leiter des Smart Mobility Institutes der Hochschule Bremerhaven. © WFB/Sarbach
Foto 3: Eine regulär betriebene Rangierlok ist mit Sensoren ausgestattet, um Daten zu sammeln. © WFB/bremenports
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