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Schulterschluss für den Klimaschutz

Firmen bringen Bremerhavener Fischereihafen auf Kurs zur CO2-freien Energieversorgung. Sie kommen aus vielen verschiedenen Branchen, mit ihrem Portfolio stehen sie unter Umständen sogar im Wettbewerb zueinander. Doch in einem Punkt sind sich immer mehr Unternehmen im Bremerhavener Fischereihafen einig: Sie wollen neue Wege in der Energieversorgung gehen.

31.08.2023
Autor: Wolfgang Heumer

Dafür haben die Betriebe eine gemeinsame Klimaschutz-Initiative gegründet – und wollen mit dem Fischereihafen das erste klimaneutrale Gewerbegebiet in Deutschland werden. Am Anfang war es eine kritische Situation, die fünf Großunternehmen aus dem Bremerhavener Fischereihafen enger zusammenrücken ließ. „Als Ende 2022 die Gefahr einer Gasmangellage in Deutschland drohte, bekam Energieeffizienz eine noch größere Bedeutung als vorher“, erinnert sich Ralf Finck, der beim Tiefkühlkost-Produzenten Frosta den Energie-Einkauf managt. Finck war überzeugt, dass auch andere Firmen nach neuen Wegen in der Energieversorgung suchten und unternahm einen ungewöhnlichen Schritt – er schlug seinem Vorstand einen Austausch vor, unter anderem mit dem unmittelbaren Nachbarn (und Wettbewerber) Frozen Fish International sowie weiteren Unternehmen mit großem Energiebedarf.

„Die positive Reaktion kam sehr schnell“, berichtet Finck. Schon im ersten Gespräch mit dem „Kollegen von der Konkurrenz“ wurde klar, dass das Thema eine noch viel größere Dimension hat: „Energie effizient zu nutzen und aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen, ist eine wesentliche Voraussetzung, die drohende Klimakrise abzuwenden“, stellten die beiden Fachleute fest, „nur müssen dafür viele an einem Strang ziehen.“ Gesagt, getan: Binnen kurzer Zeit setzten die Unternehmen – Frosta, Frozen Fish International, die Fischmanufaktur Deutsche See, die Holzhandlung Cordes und der Keramikhersteller NordCeram – die Idee um. Das „Klimabündnis Fischereihafen“ war geschmiedet; mittlerweile gehören bereits knapp 30 Betriebe der ersten Firmen-übergreifenden Klimaschutz-Initiative für ein komplettes Gewerbegebiet in Deutschland an.

Neue Energie-Impulse aus der Keimzelle der deutschen Windkraftindustrie

Energie ist ein zentrales Thema im Bremerhavener Gewerbegebiet Fischereihafen und den dort ansässigen rund 400 Firmen. Allein die fünf ersten Mitglieder des „Klimabündnisses Fischereihafen“ benötigen zusammen pro Jahr etwa 242 Gigawattstunden (GWh) Gas sowie 90 GWh Strom. In der Summe aller Unternehmen dürfte der tatsächliche Verbrauch um etliches höher sein – der Fischereihafen ist nicht nur einer der größten Standorte der Lebensmittelindustrie in Deutschland, sondern auch durch einen vielseitigen Branchenmix vom Hightech-Maschinenbau über Werften bis hin zu kleinen und mittleren Handwerks- und Technologie-Firmen gekennzeichnet. Erneuerbare Energien sind hier schon lange ein Thema: Der Fischereihafen war vor etwa zwei Jahrzehnten die Keimzelle der deutschen Windkraftindustrie; inzwischen befassen sich Forschungsinstitute wie das Fraunhofer IWES sowie die Hochschule Bremerhaven mit den Technologien der Zukunft, zum Beispiel für die Produktion und Nutzung von „grünem“ Wasserstoff.

Dass sich immer mehr Firmen dem Bremerhavener Klimabündnis anschließen, ebnet nun der konkreten Entwicklung und Anwendung klimafreundlicher Technologien den Weg. „Vieles ist denkbar, wenn Unternehmen enger zusammenarbeiten“, ist Timo Mahler, Energie-Verantwortlicher bei Deutsche See, überzeugt und nennt Beispiele: „Der eine hat vielleicht Energie in Form nicht genutzter Wärme übrig, der andere bietet mit Kühlhäusern eine Möglichkeit, Energie zu speichern. Gemeinsam können wir Photovoltaik- oder Windkraftanlagen kostengünstiger errichten und effizienter nutzen.“

Ernsthaftes Engagement für ein ambitioniertes Ziel: Klimaneutralität bis 2030

Solche Ideen sind künftig noch stärker gefragt. Das große Ziel des Bündnisses: Bis 2030 soll der Fischereihafen klimaneutral werden, die Energieversorgung soll also ohne Kohlenstoffdioxid-Emissionen gesichert werden. Mehrere Arbeitsgruppen befassen sich mit den konkreten Schritten zur Umsetzung. So sollen die Ist-Situation im Energiebedarf sowie die Möglichkeiten für eine alternative Versorgung erfasst werden; eine andere Gruppe befasst sich mit der Mobilität der rund 9.000 Beschäftigten im Fischereihafen und mit der Frage, wie der öffentliche Personennahverkehr verbessert und das Autoaufkommen verkleinert werden kann. Eine Wasserstoff-Arbeitsgruppe eruiert die Möglichkeiten für konkrete Hydrogen-Anwendungen in Unternehmen.

In einer Umfrage soll zunächst ermittelt werden, welchen Bedarf es im Fischereihafen gibt. Weitere Aspekte sind Windkraft und Photovoltaik als klimaneutrale Energiequellen sowie die möglichen Kosten, die im Vergleich zu anderen Energieträgern für Unternehmen entstehen können. „Der engen Kooperation zwischen einzelnen Firmen kommt eine besondere Bedeutung zu, um Energieverbräuche zu senken“, ist Mahler aus ersten Erfahrungen überzeugt. Deutsche See experimentiert mit Anlagen zur Resteis-Verwertung, das in der eigenen Produktion und bei anderen Firmen nicht verbrauchte Kühlmittel „enthält noch viel Energie, es wäre zu schade, es einfach in der Sonne schmelzen zu lassen“, so Mahler.

„Auch kleine Betriebe können einen großen Beitrag zum Klimaschutz leisten“

Aber nicht nur bei Großunternehmen wie der Fischmanufaktur oder dem Tiefkühlkosthersteller sind Themen wie Nachhaltigkeit, Ressourcenschutz und Energiesparen seit langem Teil der Firmen-DNA. In ihrem Handwerksbetrieb für Sanitär- und Heizungstechnik befassen sich die Geschwister Svenja Genuttis-Wiebalck und Björn Genuttis schon lange mit dem Thema – nicht nur im Auftrag ihrer Kundinnen und Kunden, die beispielsweise Wärmepumpen installieren lassen. Schnell schlossen sie sich deshalb dem Klimabündnis an: „Gerade für kleine Unternehmen kann es wichtig sein, beispielsweise über einen gemeinsamen Einkauf die Kosten für die notwendigen Investitionen gering zu halten“, sagt Svenja Genuttis-Wiebalck. Ihr Bruder verweist darauf, dass auch kleine Betriebe einen großen Beitrag zum Klimaziel leisten können: „Wir sind zwar keine großen Energieverbraucher, können aber möglicherweise auf unseren Hallendächern Flächen für Photovoltaik-Anlagen zur Verfügung stellen.“ Wichtig ist den beiden, dabei zu sein, Anregungen zu bekommen und die eigene Fachkenntnis in das Klimabündnis einzubringen: „Der Klimawandel ist ein Thema, das wir wirklich ernst nehmen müssen“, ist die junge Unternehmerin überzeugt.

Metallbau-Betrieb als Windkraft-Pionier mit langjährigen Erfahrungen

Ähnlich denkt auch Felix Huth, Geschäftsführer des ebenfalls familiengeführten Metallbau-Unternehmens Huth. „Wir haben zwei Kinder und hoffen, dass die später in einer ähnlich wundervollen und artenreichen Umwelt leben können, wie wir es tun“, sagt er zu seiner Motivation, der Klima-Initiative beizutreten. In das Bremerhavener Bündnis bringt er nicht nur Ideen und Gedanken, sondern auch Erfahrungen ein. Huth hat gerade zwei Gas-betriebene Gabelstapler gegen ein Elektrofahrzeug getauscht, das mit eigenem Sonnenstrom betankt wird; langfristig will er den Firmen-Fuhrpark auf Alternativ-Antriebe zu fossilen Brennstoffen umstellen. Solches Engagement hat in dem Familienbetrieb bereits eine lange Geschichte. „1990 haben mein Vater und mein Onkel die erste kommerziell betriebene Windkraftanlage im Land Bremen errichtet; 1996/97 haben wir im Neubau des Firmensitzes eine Solarthermie-Anlage installiert; 2012 folgte unsere erste Photovoltaikanlage“, berichtet er.

Unternehmen drücken aufs Tempo

Für die Geschäftsführerin der Fischereihafen-Betriebsgesellschaft FBG Bremerhaven, Petra Neykov, ist dieses Engagement genauso anerkennenswert wie das ganze Klimabündnis. „Hier zeigt sich beispielhaft, wie konzentriert die Wirtschaft im Fischereihafen am Klimaschutz und damit an der Bewältigung einer der größten Herausforderungen unserer Zeit arbeitet“, zollt sie den Firmen Respekt. Die FBG ist in das Bündnis als neutraler Partner eingebunden: Unter anderem gewährleistet die Management-Gesellschaft, dass für Planungen erforderliche Unternehmensdaten geschützt bleiben. Außerdem kümmert sich die FBG darum, Fördermittel für einzelne Projekte zu gewinnen. Bei den beteiligten Firmen ist der Ehrgeiz groß, dass den Überlegungen schon bald Taten folgen. „Bei der nächsten öffentlichen Präsentation im Herbst werden wir bestimmt schon viel vorzeigen können“, ist Ralf Finck überzeugt.

Kontakt für Redaktionen:

Sebastian Gregorius, Prokurist und Bereichsleiter Marketing und Tourismus der FBG Bremerhaven, Telefon: 0471 97321-140, Mail: gregorius@fbg-bremerhaven.de, Internet: fbg-bremerhaven.de

Bildmaterial:

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Ziehen für den Klimaschutz in Bremerhaven an einem Strang: Ralf Finck (links) vom Tiefkühlproduzenten Frosta und Timo Mahler, Leiter Energiemanagement bei Deutsche See. © WFB/Jörg Sarbach

Foto 2: 450 Hektar groß ist das Gewerbegebiet Fischereihafen – bis 2030 soll es klimaneutral sein. © WFB/Jörg Sarbach

Foto 3: Auch kleine Betriebe können ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten – davon sind Felix Huth (links) und Svenja Genuttis-Wiebalck überzeugt und haben sich mit ihren familiengeführten Betrieben dem Klimabündnis angeschlossen. © WFB/Jörg Sarbach

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