23.01.2023
Autor: Wolfgang Heumer
In Kläranlagen geht es lebhaft zu. Im so genannten Belebtschlammverfahren zersetzen Bakterien die im Abwasser enthaltenen organischen Stoffe. Das Ergebnis ist für die Umwelt allerdings nicht ganz so sauber wie das Wasser, das am Ende herauskommt. „In diesem Reinigungsprozess wird jede Menge Kohlenstoffdioxid freigesetzt“, sagt Prof. Dieter Lompe, der an der Hochschule Bremerhaven unter anderem „Nachhaltige Energie- und Umwelttechnologien“ lehrt. Als Leiter des Labors für Ver- und Entsorgungstechnik und Umweltverfahrenstechnik beschäftigte er sich schon länger mit der Frage, ob und wie die klimaschädlichen Emissionen verringert werden können. Im Forschungsprojekt WECK („Weniger CO2 aus Kläranlagen“) ist ihm und seinem Team dies zumindest im Modellmaßstab gelungen: „Auf die Größe einer Kläranlage wie in Bremerhaven hochgerechnet, ließen sich 20.000 bis 30.000 Tonnen CO2 pro Jahr vermeiden“, so Lompe.
Neues Verfahren reduziert Energiebedarf und senkt Kosten
Der buchstäblich lebendige Klärprozess ist ein so genanntes aerobes Verfahren. Die dort eingesetzten Bakterien benötigen für ihre Arbeit Sauerstoff, der über Belüftungsanlagen in das Wasser eingeblasen wird. Die Belüftung kostet Energie; zudem verbindet sich der Sauerstoff mit dem Kohlenstoff aus den zersetzten organischen Verbindungen zu dem klimaschädlichen Kohlenstoffdioxid. „Mit unserem Verfahren vermeiden wir nicht nur die CO2-Emissionen, sondern reduzieren auch den Energiebedarf und damit die Kosten der Abwasserreinigung“, erläutert Prof. Lompe.
Im Gegensatz zu den klassischen Kläranlagen ist das in dem von der EU im EFRE-Programm geförderte WECK-Projekt entwickelte Verfahren anaerob – die dort eingesetzten Bakterien benötigen keinen Sauerstoff, um im Abwasser ihre Arbeit zu tun. Um nach dem Reinigungsprozess Bakterien und gesäubertes Wasser voneinander zu trennen, setzen Lompe und sein Team auf einen speziellen Bioreaktor: Dort strömt das von anaeroben Bakterien behandelte Wasser durch eine poröse Membrane – die Bakterien bleiben auf der einen Seite der Menbrane. Der Verzicht auf Sauerstoff führt zu einem der großen Vorteile des Verfahrens: Der Kohlenstoff aus den aufgespaltenen organischen Verbindungen verbindet sich mit Wasserstoff-Atomen zu einem Gemisch aus Methan und CO2: „So gewinnen wir Biogas, das aufgefangen und für die Energieerzeugung genutzt werden kann“, erläutert Prof. Lompe.
Größere Versuchsmaßstäbe geplant
Das Wasser, das aus der Membran austritt, enthält allerdings noch die Stickstoff-Wasserstoff-Verbindung Ammonium, dessen Bestandteile in den organischen Stoffen des Abwassers enthalten sind. Und auch hierfür fanden die Bremerhavener Fachleute eine nutzbringende Lösung. Sie leiteten das Wasser über das natürliche Mineral Zeolith, das dank seiner Fähigkeit zum Ionenaustausch beispielsweise als Wasserenthärter in Waschmitteln verwendet wird. „Wir nutzen diese Fähigkeit, um das Ammonium aus dem Abwasser zu entfernen“, berichtet Lompe. Das Ammonium lagert sich an den Zeolith-Kristallen an, die anschließend in einer Kochsalzlösung regeneriert. Dabei entsteht Ammoniumchlorid: „Das lässt sich wiederum in das Düngemittel Ammoniumsulfat verwandeln“, so Lompe. In einem weiteren Schritt ließe sich auch Phosphor aus dem Abwasser zurückgewinnen: „Damit steht uns ein Prozess zur Verfügung, der nicht nur eine vollständige Abwasserreinigung, sondern auch die Rückgewinnung von Wertstoffen und eine Verringerung von Treibhausgas-Emissionen ermöglicht“, freut sich Lompe.
Bis zur praktischen Anwendbarkeit in Kläranlagen sind aber noch einige Schritte erforderlich. Bisher haben die Forschenden sowie die Technikerinnen und Techniker aus Bremerhaven das Verfahren in einem Reaktor mit 300 Litern Volumen erprobt. In einer Fortsetzung des Forschungsvorhabens sollen größere Maßstäbe realisiert werden. Prof. Lompe ist optimistisch, dass seine Entwicklung aber auch im großen Stil funktioniert. Wann die ersten Anlagen tatsächlich in Klärwerken installiert werden, ist aber noch offen: „Das ist eine größere Investition, die in erster Linie im Rahmen einer ohnehin notwendigen Erneuerung vorgenommen werden wird“, ist Lompe überzeugt.
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Isabelle Epplé, Pressesprecherin der Hochschule Bremerhaven, Mail: ieplle@hs-bremerhaven.de, Telefon: 0471 48 23-342
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Foto 1: Gemeinsam mit Studierenden der Hochschule Bremerhaven hat Prof. Dieter Lompe, Leiter des Labors für Ver- und Entsorgungstechnik und Umweltverfahrenstechnik, eine klimaneutrale Kläranlage entwickelt. © Jörg Sarbach
Foto 2: An der Hochschule Bremerhaven ist das Forschungsprojekt „WECK – Weniger CO2 aus Kläranlagen“ entstanden. Die PEET-Masterstudenten (Process Engeniering and Energy Technology) Jens Kabierske (l.) und Ahemd Khamis machen eine PH-Messung. © Jörg Sarbach
Foto 3: Bis zur praktischen Anwendbarkeit in Kläranlagen sind noch einige Schritte erforderlich. Projektleiter Prof. Dieter Lompe ist jedoch optimistisch, dass seine Entwicklung auch im großen Stil funktioniert. © Jörg Sarbach
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