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Grenzüberschreitender Verbraucherschutz

Bremerhaven spielt im System der Grenzkontrollen eine besondere Rolle, der Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland und Europa beginnt auf dem hiesigen Containerterminal.

27.04.2023
Autor: Wolfgang Heumer

Dort sorgen Dr. Jürgen Witte und sein Team in der Grenzkontrollstelle Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen (LMTVET Bremen) dafür, dass keine verdorbenen oder mit Schadstoffen belasteten Nahrungsmittel, Zutaten und Futterbestandteile importiert werden. Obwohl hier bis zu 300.000 Tonnen Ware pro Jahr über die europäische Außengrenze in die EU kommen, bleibt den Fachleuten kein Detail verborgen, das Verbraucherinnen und Verbrauchern schaden könnte.

Acht Laderampen, an denen Container-Lkw andocken können, hinter großen Rolltoren ein lang gestreckter Entladeraum: Auf den ersten Blick sieht es in der Halle am Zollzaun des Bremerhavener Überseehafens aus wie in anderen Logistik-Immobilien rund um den viertgrößten europäischen Containerterminal. Doch ein gefliester Untersuchungsraum wie hier dürfte anderswo eher selten sein. Dr. Jürgen Witte erhitzt dort gerade ein Stück tiefgefrorenen Fisch, das einer seiner Mitarbeiter in der Halle einem Karton mit gefrosteten Filets entnommen hat. „Der Geruch ist in Ordnung, geschmacklich gibt es auch keine Auffälligkeiten“, stellt der 57-Jährige nach einer kurzen sensorischen Prüfung fest. Dennoch wird der Fisch nie auf dem Teller der Verbraucherinnen und Verbraucher landen. „Es fehlen die notwendigen Unterlagen, die zweifelsfrei die Herkunft nachweisen“, erläutert Witte. Ort des Geschehens ist die Grenzkontrollstelle der Lebensmittelüberwachung im Land Bremen, zu der Laderampen und Halle gehören. Alle Nahrungsmittel, Zutaten und Futtermittel-Bestandteile tierischer und nicht-tierischer Herkunft, die per Schiff aus dem nicht-europäischen Ausland nach Bremerhaven kommen, müssen sich die Freigabe durch das Team von Dr. Witte holen.

Mehr Produkte aus dem nicht-europäischen Ausland als angenommen

Als einer der größten Containerhäfen des Kontinents gehört Bremerhaven zu den wichtigsten Stationen Deutschlands für den Import von Nahrungsmitteln. „Aus dem nicht-europäischen Ausland kommen weitaus mehr Produkte als viele Verbraucher wahrnehmen“, sagt Dr. Witte. In seinem Büro oberhalb der Kontrollhalle hat er ein paar einfache Beispiele parat, darunter eine Verpackung für ein tiefgefrorenes Fisch-Fertiggericht. Die Gestaltung und Beschriftung des Kartons suggerieren, dass es aus Deutschland kommt. Doch ein kleiner, stempelartiger Aufdruck auf der Rückseite zeigt das Gegenteil – die Buchstaben CN sind dort zu sehen: „Das bedeutet: hergestellt in China“, erläutert Witte. Und damit ist das Produkt ein Fall für seine Dienststelle, die zum Lebensmittelüberwachungs-, Tierschutz- und Veterinärdienst des Landes Bremen gehört. In der Grenzkontrollstelle wird penibel kontrolliert, ob die Importware den in Deutschland und Europa geltenden Vorschriften entspricht, ob die Produkte einwandfrei oder verdorben sind und ob sie gesundheitsgefährdende Bestandteile enthalten.

Bremerhaven spielt im System der Grenzkontrollen eine besondere Rolle

Vor wenigen Jahrzehnten gab es solche Einrichtungen noch an nahezu jeder innereuropäischen Grenze. Seitdem die EU den internen Warenverkehr liberalisiert hat, sind europaweit noch rund 300 Grenzkontrollstellen übriggeblieben. In Deutschland befinden sie sich auf den internationalen Flughäfen und in den beiden großen Seehäfen. Als einstmals größter Fischereihafen des Kontinents und nach wie vor einer der führenden Standorte der Lebensmittelindustrie in Deutschland spielt Bremerhaven in diesem System eine besondere Rolle. Ob als Fertigprodukt oder als Rohware: „Der größte Teil der Lebensmittel kommt per Container“, weiß Dr. Witte. In Bremerhaven werden vor allem tiefgekühlter Fisch sowie ungekühlte Massenprodukte angelandet. Nur wenn die Ware von der Grenzkontrollstelle freigegeben wurde, kann sie über die Zolltore des Überseehafens das Freigebiet verlassen und zum Empfänger gebracht werden.

Vom Fertiggericht bis zu gefrorenen Zuckmückenlarven

Durchschnittlich 250.000 bis 300.000 Tonnen, in manchen Jahren sogar bis zu 500.000 Tonnen an Lebensmitteln, Tierfutter oder Rohwaren aus Fleisch und Pflanzen passieren jährlich die vor wenigen Jahren direkt an der Hafengrenze neu errichtete Kontrollstelle. Die Bandbreite ist groß und reicht von gefrorenem Fisch für Fertiggerichte bis hin zu gefrorenen Zuckmückenlarven als Zierfischfutter. Natürlich können die Prüferinnen und Prüfer nicht jedes einzelne Produkt im Detail untersuchen. Im Vordergrund steht die Prüfung der notwendigen Dokumente mit der anschließenden sogenannten Nämlichkeitskontrolle, erläutert Dr. Witte: „Wir kontrollieren, ob die Ware im Container wirklich das ist, was sie sein sollte, und in welchem Zustand sie sich befindet, also ob beispielsweise die Kühlkette unterbrochen worden ist.“ Das alles ist komplizierter, als es die kurze Zusammenfassung vermuten lässt.

Grundlage für die Prüfung in Bremerhaven sind die Ladungspapiere, die auch im digitalen Zeitalter ziemlich umfangreich sind. Im Ursprungsland muss bereits dokumentiert werden, um was es sich handelt und woher die Ware stammt. Offizielle Prüfstellen müssen die Richtigkeit beurkundet haben, schließlich müssen die Chargennummern auf Kartons und Containern mit denen in den Begleitpapieren verglichen und die an den Containern angebrachten Plomben kontrolliert werden. „Der Teufel steckt dort im Detail“, weiß Witte. Und manchmal wartet eine Überraschung auf die Kontrolleure: „Der Fisch, den ich gerade geprüft habe, war überhaupt nicht in den Begleitpapieren vermerkt“, berichtet Dr. Witte – wie und warum er in den Container gelangte, ist unklar: „Manchmal ist es einfach nur ein Fehler beim Beladen.“

Bei Honig muss man schon genauer hinschauen

Auch wenn die „Papierlage“ signalisiert, dass alles in Ordnung ist, schauen die Prüferinnen und Prüfer der Grenzkontrollstelle noch einmal genauer hin. Die Fisch-Prüfung ist gerade beendet, als ein Container mit Honig aus Mexiko an die Laderampe gerollt wird. Was auf Honiggläsern im Einzelhandel klein als „kann Honig aus Nicht-EU-Ländern enthalten“ deklariert ist, nimmt auf dem Containerterminal weitaus größere Formen an. Nach Fisch und Fleisch gehört Honig mit rund 800 Sendungen im Jahr zu den häufigsten Arbeiten der Kontrollstelle. Auch dieser Container ist vollgestellt mit grauen Fässern. Zwei Fachkräfte der Kontrollstelle öffnen eines; Witte greift sich einen Probennehmer – eine etwa einen Meter lang, halboffene Edelstahllanze – und sticht tief in die dunkelbraune, zähflüssige Honigmasse. „Hier muss man schon genauer hinschauen“, betont der promovierte Veterinär, der vor dem Wechsel in die Grenzkontrollstelle in den Bereichen Großtierpraxis, Wissenschaft und Hochschule gearbeitet hat. Der Grund: „Honig kann gesundheitsgefährdende Rückstände, aber auch unerlaubte Zusätze wie beispielsweise Zucker enthalten.“ Eine erste Kontrolle nehmen die Bremerhavener Kontrolleurinnen und Kontrolleure im eigenen Labor vor; dann entscheidet Witte, ein spezialisiertes Fachlabor einzuschalten: „Im Interesse des Verbraucherschutzes schauen wir lieber genauer hin, als zu großzügig zu sein.“ Bis das Ergebnis vorliegt, muss der Container auf dem Terminal bleiben.

Wie ernst die Prüferinnen und Prüfer aus Bremerhaven ihre Arbeit nehmen, wird schon mit einem schnellen Blick in die Statistik deutlich. Allein im Jahr 2022 nahmen sie mehr als 27.000 Kontrollen bei mehr als 15.000 Containern in Form von Dokumentenprüfungen, Nämlichkeitskontrollen, Waren- und Laboruntersuchungen vor. Die Verbraucherinnen und Verbraucher können sich dank dieser Arbeit entspannt zurücklehnen: Von den mehr als 12.000 kontrollierten Sendungen mussten nur 314 beanstandet und zurückgewiesen werden.

Kontakt für Redaktionen:

Dr. Jürgen Witte, Amtstierarzt, Leiter der Grenzkontrollstelle Land Bremen, Tel: 0471 596 13 777, Mail: juergen.witte@lmtvet.bremen.dewww.lmtvet.bremen.de

Bildmaterial:

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Abteilungsleiter und Amtstierarzt Dr. Jürgen Witte vor der LKW-Anlieferung der Grenzkontrollstelle in Bremerhaven. Im vergangenen Jahr wurden hier mehr als 27.000 Kontrollen durchgeführt. © Jörg Sarbach

Foto 2: In der Grenzkontrollstelle in Bremerhaven wird penibel kontrolliert, ob die Importware den in Deutschland und Europa geltenden Vorschriften entspricht, ob die Produkte einwandfrei oder verdorben sind und ob sie gesundheitsgefährdende Bestandteile enthalten. © Jörg Sarbach

Foto 3: Amtstierarzt Dr. Jürgen Witte (rechts) und Viktor Schuetz, amtlicher Fachassistent, untersuchen eine Probe Dorsch. Die Bandbreite reicht von gefrorenem Fisch für Fertiggerichte bis hin zu gefrorenen Zuckmückenlarven als Zierfischfutter. © Joerg Sarbach

Foto 4: Nach Fisch und Fleisch gehört Honig mit rund 800 Sendungen im Jahr zu den häufigsten Arbeiten der Kontrollstelle. In Bremerhaven wird ein Container mit Bio-Honig aus Mexiko geöffnet. © Jörg Sarbach
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