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Zweiter Frühling für die „Butt“ in Bremerhaven

Die Rettung eines Schiffsoldtimers in Bremerhaven zeigt nicht nur, wie wichtig das mari-time Erbe der Stadt ist. Sie zeigt auch, was den Wirtschaftsstandort so besonders macht: Die hiesigen Unternehmerinnen und Unternehmer sind kurzentschlossen, kompetent, engagiert, gut vernetzt – und für jede gute Idee zu haben.

11.03.2024
Autor: BIS Wirtschaftsförderung Bremerhaven

„Ausgedient nach 88 Jahren – Die Hafenbarkasse ‚Butt‘ könnte bald im Schrott landen“: Diese Schreckensnachricht in der Nordsee-Zeitung ließ Eva Erkenberg ein wenig das Herz bluten. Aus ihrer Vorliebe für das Maritime hat die Bremerhavenerin ein Geschäft gemacht: Seit mehr als 15 Jahren fertigt sie mit ihrem Team der Maritimen Manufaktur Bremerhavens Segelmacher aus Schwergewebe individuelle und kreative Textilien – für die Wirtschaft genauso wie für den privaten Hausgebrauch. „Alleine der Gedanke, die ‚Butt‘ könnte im Schrott landen, bereitete mir Bauchweh“, erinnert sich Erkenberg.

„Ich konnte es nicht aushalten“

78 Jahre lang war die „Butt“ als Hafenbarkasse im Einsatz für das Hansestadt Bremische Hafenamt, dann für die Hafenmanagementgesellschaft bremenports. 2013 übernahm das zur Rönner-Gruppe gehörende Unternehmen BVT Chartering und Logistics den Schiffsoldtimer und funktionierte ihn zum Schlepper um. Doch 2023 hatte das Unternehmen kaum noch Verwendung für die „Butt“. „Ich konnte es nicht aushalten“, sagt Erkenberg. Kurz vor Mitternacht am Mittwoch, 31. Mai, schreibt sie eine Nachricht an Thomas Herion, seines Zeichens Schifferratssprecher in der Schiffergilde Bremerhaven. Der Verein hat sich der Bewahrung des maritimen Erbes verschrieben, restauriert und wartet in seiner „Gläsernen Werft“ Traditionsschiffe und hält sie weiter in Fahrt. Ein Erfahrungsschatz, der sich auch für die „Butt“ als unschätzbar wertvoll erwiesen hat.

Herion fackelte nicht lang. „Ich hab dann am Donnerstagmorgen um exakt zwei Minuten nach acht Uhr bei BVT angerufen und hatte sofort den Geschäftsführer am Telefon. Der war äußerst sympathisch und nett“, erzählt er. Schnell war man sich einig. Und dann fiel der Satz: „Wir bringen euch das Schiff morgen um 11 Uhr vorbei.“ Die Erfolgsmeldung gibt er in einer kurzen WhatsApp-Nachricht weiter: „Wir haben den Schlepper.“ Eva Erkenberg konnte kaum glauben, dass ihre „verrückte Idee“ so schnell Früchte trug. Sie beschreibt eine Mischung aus Freude und Ratlosigkeit.

Parkplatz für historische Hafenbarkasse gesucht

Denn wo parkt man so eine sanierungsbedürftige Hafenbarkasse? Herion sprach Eric Inselmann an, Geschäftsführer in zweiter Generation der familiengeführten Bootswerft H. Inselmann & Sohn GmbH. Die Werft am Westkai hinter der Doppelschleuse bietet eine Vielzahl an Dienstleistungen rund um Yachten an, von Reparaturen bis zum Winterlager. Der Boots- und Schiffsbaumeister antwortete knapp: „Das ist ja interessant. Ich bin sofort dabei!“ Thomas Herion betont seine damalige Erleichterung: „Das war so genial, dass er einfach sagte, kein Problem. Obwohl alles voll ist, überall Schiffe stehen, nichts frei ist.“

Etwas überrumpelt wurden die Schiffsretter dann doch, als schon um Viertel vor neun Uhr der riesige BVT-Schwimmkran „Athlet“ mit der „Butt“ vor der Tür lag. „Innerhalb von 20 Minuten lag das Schiff auf einmal mittenmang auf der Pier“, erinnert sich Inselmann. Zum Glück ist der Kranservice eine überregional bekannte Spezialität der Bootswerft. Mit dem 80-Tonnen-Kran, mit dem er sonst Schwergewichte wie Behördenfahrzeuge, Krabbenkutter, Fahrgastschiffe oder Luxusyachten aus dem Wasser holt, hob Inselmann das Schiff auf einen Wagen und nahm den „Patienten“ auf. Der Werftchef räumte den neuen Eigentümern großzügige drei Monate Zeit auf der Werft ein, um die „Butt“ wieder flott zu machen. „Da dachten wir noch, das wäre kein Problem“, muss Herion schmunzeln.

Breite Unterstützung für die Rettungsaktion

Eva Erkenberg und Thomas Herion packten an, unterstützt von Helferinnen und Helfern aus dem Freundeskreis und aus den Reihen der Schiffergilde.

Gemeinsam wird gesäubert und geschliffen, der später hinzugefügte Bugschild wird wieder entfernt, ein verloren gegangener Kajütenaufbau wieder hergestellt, historisch akkurat der Rumpf wieder schwarz angestrichen und in strahlendem Weiß die Schriftzüge des Schiffsnamens „Butt“ und des Heimathafens „Bremerhaven“. Leider wird auch ein Loch im Rumpf entdeckt und Wasserschäden im Schiff.

Parallel richtet Eva Erkenberg Social-Media-Kanäle für „Butt“ ein und dokumentiert jeden Schritt. Auch die Nordsee-Zeitung berichtet schnell über die neue Hoffnung für die zum Schlepper umgebaute Hafenbarkasse.

Motor-Reparatur wird zum außergewöhnlichen Azubi-Projekt

So liest auch Gerrit Geiser, Inhaber der weit über die Region hinaus bekannten Von Twistern Motoren- und Fahrzeugtechnik GmbH, von der Rettungsaktion. „Ich habe den Dampfer und seinen urigen Kapitän in guter Erinnerung. Beides waren echte Originale“, erzählt er. Geiser führt aus: „Als die ‚Butt‘ für bremenports im Einsatz war, haben wir sie regelmäßig gewartet. 2009 haben wir auch den Motor komplett überholt.“ Begeistert vom Engagement bietet er Erkenberg kurzentschlossen Unterstützung an.

„Aus der angedachten Inspektion wurde angesichts der Wasserschäden schnell eine umfangreiche Revision“, berichtet Geiser. Er machte kurzerhand ein angeleitetes Azubi-Projekt daraus: Jarno Thormann, im dritten Lehrjahr als Feinwerkmechaniker in der Fachrichtung Maschinenbau, hat den Motor komplett zerlegt, überholt und wieder zusammengebaut. So brachte er die Deutz-Maschine der „Butt“ wieder ans Laufen.

Eva Erkenberg verhalf derweil dem arg gebeutelten Steuerrad zu neuem Glanz, private Spender stifteten zwei historische Rettungsringe des Hafenamts, die Raguse + Voss Metallgießerei GmbH aus Bremerhaven spendete Anoden für den Rumpf. Aber auch Putzlappen, Farbe und Antifouling-Anstrich gingen als Spenden ein. „Die Arbeit nimmt kein Ende. Ohne die vielen Helfer wäre das nicht gegangen“, sagt Eva Erkenberg und dankt den zahlreichen Firmen und Privatleuten für ihre Unterstützung.

Fit für die Überführung in den Neuen Hafen

Zu diesem Kreis gehörte auch Sven Sterz, Chef der Glaserei Sterz GmbH. An ihn wandte sich Erkenberg, als der „blinde Passagier“ seine Aufenthaltsfrist in der Bootswerft schon überstrapaziert hatte. „Das Schiff musste zu diesem Zeitpunkt nächste Woche ins Wasser“, sagt Erkenberg. „Die Zeit war der entscheidende Faktor.“ Sven Sterz schaute sich den Schaden an und entschloss sich zu helfen. „Da müssen wir auch unseren Kundinnen und Kunden danken. Sie haben uns erlaubt, Termine umzulegen, um zuerst bei der ‚Butt‘-Rettung zu helfen“, betont der Glasermeister. Auch von einer fehlerhaften Vermessung der Fensterrahmen – „Das war keine Meisterleistung von mir“, scherzt Herion – ließ sich Sterz nicht beirren: Innerhalb eines Arbeitstages ersetzte er die ursprünglich zu klein gefertigten Fensterscheiben. So konnte die „Butt“ das verlängerte Asyl in der Bootswerft Inselmann gerade noch rechtzeitig verlassen.

Inzwischen liegt die „Butt“ im Neuen Hafen, als Teil der teilweise mehr als 20 Traditionsschiffe großen Flotte der Schiffergilde Bremerhaven. Die Arbeit geht indes weiter. Für die Türen wandte sich Erkenberg an ihren „Lieblingsholzwurm“, Christian Ehlers, langjähriger Geschäftsführer von Holz Ehlers, inzwischen ein Hasselbring-Baufachzentrum. „Da ich Jäger und Sammler bin, hatte ich noch eine Terrassentür aus Teakholz von 1939 auf Lager“, berichtet Ehlers. Diese funktionierte er zur Kajütentür um. „Zeitlich passt sie perfekt zum Schiff“, freut sich der Fachmann.

Kultureller Blickpunkt und „Lernschiff“ für Frauen

Bis ins Frühjahr, schätzt Herion, werden noch weitere Ausbauarbeiten „über Wasser“ nötig sein. Doch die beiden Eigner der „Butt“ denken schon weiter. „Wir haben Pläne, dass das Bötchen ein kleiner kultureller Blickpunkt werden soll“, erzählt Herion. Das Achterschiff soll eine Bühne bieten für Musik und Lesungen, die die Besucher vom Steg am Neuen Hafen aus verfolgen können. „Am liebsten hätte ich ein Piano an Deck, an das sich jeder setzen und spielen kann“, träumt Erkenberg.

Aber natürlich soll die „Butt“ auch wieder fahren. Zum einen braucht die Gildenflotte hin und wieder die Dienste eines kräftigen Schleppers. Aber Erkenberg schwebt auch ein „Lernschiff“ vor, auf dem sich alles rund um Navigation und Nautik praktisch üben lässt. Insbesondere Frauen möchte Erkenberg ermutigen, selbst das „Ruder“ zu übernehmen. „Auf unserem Schlepper könnten sie in Ruhe Praxiserfahrung sammeln“, meint die Segelmacherin.

Mit dem Blick auf die aufpolierte Barkasse, die vor wenigen Monaten noch ein Fall für die Verschrottung war, bleibt bei Eva Erkenberg und Thomas Herion kein Raum für Reue. „Das ist unser maritimes Kulturgut. Das können wir nicht einfach nur verschrotten“, sagt Erkenberg. Die beiden sind fest entschlossen: „Die ‚Butt‘ wird auch noch ihren 100. Geburtstag in Bremerhaven feiern.“

Bildmaterial

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