08.11.2024
Autor: Wirtschaftsförderung Bremerhaven
Bis 2050 soll die weltweite Handelsschifffahrt nach dem Willen der internationalen Schifffahrtsorganisation IMO keine klimaschädlichen Emissionen mehr verursachen. Wasserstoff (H2) gilt dabei als gemeinsame Basis für Kraftstoff-Alternativen zu Kohlenstoff-Produkten, doch welches H2-Derivat sich durchsetzen wird, ist noch unklar: Als zweitgrößte Containerreederei der Welt hat sich Maersk für „grünes“ Methanol als Treibstoff entschieden. Der Hamburger Wettbewerber Hapag Lloyd setzt auf Ammoniak. Für kleine und schnelle Serviceschiffe setzt die Flensburger Reederei FRS auf reinen Wasserstoff, der in einem ersten Schritt zur CO2-Reduzierung herkömmlichen Diesel zugesetzt wird. „Allein diese Vielfalt an Möglichkeiten zeigt, wie wichtig das Thema Wasserstoff für die Schifffahrt ist, deswegen haben wir unser diesjähriges Symposium den zentralen Fragen aus der maritimen Wirtschaft gewidmet“, sagt Dr. Saskia Greiner, BIS-Bereichsleiterin Wirtschaftsförderung, jene die Veranstaltung gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Michael Murck zusammengestellt hat.
Derzeit werden allein in Deutschland in der See- und Binnenschifffahrt pro Jahr bis zu 2,5 Millionen Tonnen fossiler Brennstoffe verbraucht. Auf dem Weg zur Klimaneutralität muss diese Menge nicht nur durch alternative Produkte ersetzt werden: „Wir benötigen in den Häfen eine entsprechende neue Infrastruktur für die Versorgung der Schiffe“, betonte Thomas Rust, der in der Beratungsgesellschaft Ramboll den Bereich der strategischen Hafenplanung verantwortet. Rust geht davon aus, dass für die verschiedenen Produkte jeweils eine eigene Infrastruktur vorgehalten werden muss und rechnet deshalb mit Milliarden-Investitionen, die auf die Häfen zukommen. Rust sieht darin eine Chance für die Häfen: „Die Reedereien werden sich bei ihren Routenplanungen daran orientieren, ob sie in einem Hafen die notwendigen Bunker-Kapazitäten finden.“
In der Versorgung der Schifffahrt mit klimaneutralen Kraftstoffen auf Wasserstoff-Basis steckt nach Überzeugung von Dr. Christopher Stanik eine regionalwirtschaftliche Chance. Um die Transportwege der neuen Produkte zu den Häfen so kurz wie möglich zu halten, „empfiehlt sich eine Produktion in der Region“, betonte der für „Maritime Anwendungen“ verantwortliche Fachmann der nationalen Strategieberatungsorganisation für Wasserstoff- und Brennstoffzellentechnologie, der NOW-GmbH des Bundesverkehrsministeriums. Bremerhaven gehört zu den europäischen Schifffahrtsstandorten, die sich bereits frühzeitig in diesem Bereich positioniert haben. In den südlichen Hafenbereichen der Stadt unterhält das Forschungsinstitut Fraunhofer IWES ein großes Testfeld für die Produktion von grünem Wasserstoff mit Hilfe von Windkraft. In Nachbarschaft zu den Containerterminals im Stadtnorden produziert die HY.City.Bremerhaven GmbH grünen Wasserstoff, mit dem unter anderem Busse der städtischen Verkehrsgesellschaft BremerhavenBus betrieben werden. „Die Entwicklung und der Einsatz erneuerbarer Energien gehören zu den Kernthemen Bremerhavens“, betonte der BIS-Geschäftsführer Nils Schnorrenberger zum Auftakt des Wasserstoff-Symposiums, „aus unserer Erfahrung mit dem Aufbau der Offshore-Windenergie-Nutzung wissen wir, wie wichtig bei der Einführung ein sorgfältiges und schrittweises Vorgehen ist.“
Vor diesem Hintergrund hat die Wirtschaftsförderung Bremerhaven mit dem Wasserstoff-Symposium ein Forum für den Austausch über aktuelle Entwicklungen und zu klärende Fragen geschaffen. Während des diesjährigen Symposiums wurde deutlich: In der maritimen Branche zählen Regularien für den Einsatz neuer Kraftstoffe sowie technische Richtlinien zu den wichtigsten aktuellen Themen. „Die Reeder erwarten Verlässlichkeit und international vergleichbare Regeln, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern“, fasste Andreas Born, MCN-Geschäftsstellenleiter in Bremen, die Branchenerwartungen während einer von ihm geleiteten Podiumsdiskussion zusammen. Auch in technischen Fragen muss Klarheit geschaffen werden, wurde während der Veranstaltung deutlich: Für die Ausrüstung von Schiffen beispielsweise mit Methanol-Antrieben „orientieren wir uns derzeit an den Richtlinien für den Betrieb mit Flüssiggas LNG“, erläuterte Guido Friederich, der sich in der Klassifikationsgesellschaft DNV mit neuen Kraftstoffen befasst.
Sichtbar wurde in der mit rund 145 Teilnehmenden gut besuchten Fachveranstaltung die große Bereitschaft in der maritimen Wirtschaft, sich mit klimafreundlichen Kraftstoffalternativen zu befassen. Einigkeit herrschte dabei darüber, dass große Reedereien schon wegen ihrer finanziellen Stärke Vorteile besitzen. Dass kleinere Schifffahrtsunternehmen bereits heute auf die Zukunft vorbereiten, zeigte das Beispiel der FRS-Reederei aus Flensburg. Ihr Tochterunternehmen FRS Windcat Offshore Logistics GmbH setzt mittlerweile auf den Versorgungsfahrten zu Offshore-Windparks in der Ostsee sowie vor der belgischen Nordsee-Küste zwei Katamarane ein, die mit einem Wasserstoff-Hybridantrieb ausgerüstet sind. Die Dual-Fuel-Motoren werden mit einem Gemisch aus 70 Prozent Diesel und 30 Prozent Wasserstoff betrieben: „Die CO2-Emissionen werden um bis zu 50 Prozent reduziert; unser Ziel ist eine Verringerung von 70 bis 80 Prozent“, erläuterte Malin Eichmeier, die das Projekt bei FRS betreut. Die Reederei hat mittlerweile vier weitere Katamarane dieser Art in Auftrag gegeben.
Dass das Wasserstoff-Symposium Bremerhaven das Augenmerk auf wichtige neue Aspekte lenkt, zeigte unter anderem der Vortrag von Peter Seedorf, Dozent an der Hochschule Bremerhaven. Eindringlich appellierte er: „Wir dürfen den Faktor Mensch bei diesem Thema nicht außer Acht lassen.“ Aus seiner Erfahrung als Schiffsingenieur weiß Seedorf, wie lange es dauert und wie aufwendig es ist, bis die Techniker und Technikerinnen an Bord das Antriebssystem eines Schiffes in jeder Situation beherrschen. „Die künftigen Antriebe sind aber noch um ein Vielfaches komplexer, außerdem wird es viel mehr unterschiedliche Systeme geben.“ Entsprechend werden nach seiner Überzeugung die Anforderungen an die Ausbildung neuer Fachleute sowie die Weiterbildung bestehender Besatzungen wesentlich steigen. Ähnlich wie beim Thema Wasserstoff allgemein haben sich Wissenschaftler:innen in Bremerhaven bereits auf dieses Thema vorbereitet: „Die Hochschule wird sicherlich entsprechende Ausbildungsprogramme anbieten können.“