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Internet-Shop mit Schaufenster und Lastenrad

Bremerhavener Forschungsprojekt entwickelt Online-Chance für lokalen Handel Die Pandemie hat den innerstädtischen Einzelhandel vor große Herausforderungen gestellt. Viele Kundinnen und Kunden haben sich an den Einkauf im Internet gewöhnt, das setzt den lokalen Geschäften zu. Doch auch in leeren City-Schaufenstern steckt eine Chance: Das zeigt der Bremerhavener Wissenschaftler Prof. Benjamin Wagner vom Berg. Auf der Suche nach neuen Wegen für den regionalen Handel nutzt er leere Auslagen als reale Alternative zur virtuellen Warenpräsentation im Netz – und will so den lokalen Handel stärken, nicht nur in Bremerhaven.

22.02.2023
Autor: Wolfgang Heumer

Pop-up-Stores in leerstehenden Geschäften, Tourismus- und Stadtwerbung in einstigen Schaufenstern, Kulturveranstaltungen in ehemaligen Verkaufsräumen: In Bremerhaven lässt sich das Stadtmarketing einiges einfallen, um ein bundesweit zu beobachtendes Problem zu bewältigen – in den Einkaufsstraßen stehen immer mehr Geschäfte leer. Lange hat sich der regionale Einzelhandel erfolgreich gegen die Konkurrenz aus dem Internet gewehrt. Doch seit Corona kommen viele lokale Geschäftsleute gegen die großen Online-Handelsplattformen kaum noch an. „Ihnen fehlt häufig das Know-how, die logistische Möglichkeit oder schlicht das Geld, selbst das Internet als Verkaufsweg zu nutzen“, sagt Prof. Benjamin Wagner vom Berg. In einem gemeinsamen Projekt der Hochschule Bremerhaven, der Tourismusförderung „Erlebnis Bremerhaven“ und der Metropolregion Nordwest zeigt der Wissenschaftler jetzt Wege auf, die die lokalen Händlerinnen und Händler dennoch ins weltweite Netz führen.

„Einzelhandel verfügt über größeres Warenangebot als große Online-Shops“

Ein Lasten-Fahrrad wies Prof. Wagner vom Berg den Weg zum Projekt „R3 - Resilient - Regional – Retail in der Metropolregion Nordwest“. In seiner Arbeit als Leiter des Smart Mobility Institutes der Hochschule Bremerhaven befasste er sich in einem Projekt intensiv mit dem elektrisch betriebenen Lastenmobil eines Bremer Start-ups. Der Gedanke: Ein solches Gerät könnte das ideale Transportmittel in einem nachhaltigen und klimafreundlichen innerstädtischen Logistikkonzept sein. Wagner vom Berg erkannte schnell: Das Rad könnte auch dazu beitragen, den regionalen Einzelhandel (englisch: Retail) widerstandsfähig – auf neudeutsch resilient – gegen die Konkurrenz im Internet zu machen. Denn die Kleinen sind offenbar gar nicht so klein, wie sie selbst manchmal fühlen: „Wenn man die Einzelhändler in einer Stadt insgesamt betrachtet, verfügen sie zusammen über ein umfangreicheres und größeres Warenangebot, als es selbst große Online-Shops haben“, ist der Wissenschaftler überzeugt.

Schneller als jeder Internet-Versender

Das Lastenrad, das Wagner vom Berg mit einem Bremerhavener Kurierdienst in der innerstädtischen Lieferlogistik erprobte, ist das Symbol für das Prinzip „klein, aber fein“. Während die großen Versandhändler riesige Lieferwagen-Flotten einsetzen müssen, würden den innerstädtischen Händlerinnen und Händlern ein paar Räder und der zumeist vorhandene örtliche Kurierdienst für das Versandgeschäft ausreichen. Aus den Erfahrungen mit dem Rad-Projekt ist sich der Professor sicher, die Online-Riesen auch im Tempo schlagen zu können: „Ein Produkt, das bis 14 Uhr bestellt wurde, kann noch am selben Tag, spätestens aber am nächsten Tag beim Kunden sein.“ Keine große Plattform im Netz könnte da mithalten.

Dass die meisten regionalen Einzelhandelsgeschäfte weder eine Web-Präsenz noch ein Online-Bestell- und Abrechnungssystem haben, ist für Prof. Wagner vom Berg keine unüberwindliche Hürde. In dem Projekt ist vorgesehen, den teilnehmenden Händlerinnen und Händlern eine einfach zu bedienende Plattform zur Verfügung zu stellen, über die die Kundinnen und Kunden die gewünschte Ware bestellen können. Wenn das virtuelle Geschäft dann läuft, können die Geschäftsleute auf eine eigene Verkaufsplattform umsteigen. Im Hintergrund ist dieses System auch mit den notwendigen Logistik-Werkzeugen ausgestattet, um die Transportkette zwischen Händlern und Kundinnen und Kunden zu schließen. Aber wie erfahren die potenziellen Kundinnen und Kunden überhaupt von dem möglichen Produkt, wenn der Handel keinen eigenen Webauftritt hat? „Hier kommen die leerstehenden Schaufenster ins Spiel“, sagt der Wissenschaftler.

Leere Schaufenster werden als „Allgemeinladen“ zum Einstieg ins Internet-Geschäft

In Bremerhaven haben die städtische Wirtschaftsförderung, die städtische Wohnungsgesellschaft als größter Vermieter von Einzelhandelsflächen sowie die für das Stadtmarketing verantwortliche Erlebnis Bremerhaven GmbH schon vor längerer Zeit Initiativen gegen den Leerstand gestartet. Durch die zeitweilige oder dauerhafte Nutzung bringen sie neues Leben in die Läden wie beispielsweise durch die „Wunderwerft“, in der seither Ideen für die Geschäftswelt in einem der größten Bremerhavener Stadtteilzentren geschmiedet werden. Wagner vom Berg und sein Team nennen diese Geschäfte „Allgemeinläden“. Mit gutem Grund: Ihre Schaufenster dienen nicht mehr einem einzelnen Händler, sondern allen Geschäftsleuten, die in den Online-Handel einsteigen wollen – sie können dort ihre Angebote ausstellen.

Ware per QR-Code aus dem Schaufenster bestellen

Die Verbindung vom Schaufenster zu den Kundinnen und Kunden ist denkbar einfach: Gleich neben dem Produkt befindet sich ein QR-Code, der mit dem Handy eingescannt werden kann und auf die Plattform mit der Produktpräsentation führt. Weil dort auch die Kontaktdaten des jeweiligen Geschäftes zu finden sind, entwickelt das System eine Stärke, die auch die größten Online-Händler nie haben werden: „Es öffnet den direkten Weg zu den Händlern“, betont der Professor, „so besteht die Möglichkeit zur persönlichen Beratung.“ Ein guter und direkter Kontakt gehört zu dem, was Online-Käuferinnen und -Käufer im Internet-Handel am meisten vermissen. Verfügt der Händler oder die Händlerin bereits über einen eigenen Online-Shop, kann dort direkt „aus dem Schaufenster“ bestellt werden.

Das von der Erlebnis Bremerhaven GmbH und ihrem Chef Dr. Ralf Meyer initiierte und von der Hochschule umgesetzte Projekt verlässt jetzt nach und nach die von Prof. Wagner vom Berg und seinem Team entwickelte Projektphase. Nach ersten Erfahrungen mit mittlerweile drei Allgemeinläden in Bremerhaven strahlt das Oberzentrum nun in die Region. Die Nachbarkreise Cuxhaven und Wesermarsch haben sich dem Vorhaben bereits angeschlossen; dort gibt es schon ersten Allgemeinläden. Die Metropolregion Nordwest gehört dem Projekt auch an, in Kürze starten in Oldenburg und Bremen erste Versuchsballons. Eins stellt Benjamin Wagner vom Berg klar: „Dieses wird kein neues Netzwerk eines überregionalen Online-Händlers. Es bleibt ein lokales System, um durch die Kombination von stationärem Handel und Online-Geschäft die Städte lebendig zu halten.“

Kontakt für Redaktionen:

Prof. Dr.-ing. Benjamin Wagner vom Berg, Leiter des Smart Mobility Institute der Hochschule Bremerhaven, Tel.: 0471 4823 484, Mail: benjamin.wagnervomberg@hs-bremerhaven.de, www.handel-nachhaltig.de

Bildmaterial:

Das Bildmaterial ist bei themengebundener Berichterstattung und unter Nennung des jeweils angegebenen Bildnachweises frei zum Abdruck.

Foto 1: Die Verbindung vom Schaufenster zu den Kundinnen und Kunden ist denkbar einfach: Die QR-Codes des stationären Handels können mit dem Smartphone gescannt werden und führen direkt auf eine Online-Plattform. © Joerg Sarbach

Foto 2: Vielen Händlerinnen und Händlern fehlen Know-how und logistische Möglichkeiten für den Verkauf übers Internet, sagt Prof. Benjamin Wagner vom Berg von der Hochschule Bremerhaven. Mit einem Projekt zeigt der Wissenschaftler jetzt Wege auf, die den lokalen Handel dennoch ins Netz führen. © Joerg Sarbach

Foto 3: Die Allgemeinläden sollen dem lokalen Handel den Weg ins Internet erleichtern. Student Linus Krohn von der Hochschule Bremerhaven stellt eine Tasche ins Schaufenster. © Joerg Sarbach

Foto 4: Ein Allgemeinladen in der Bremerhavener Innenstadt: „Es bleibt ein lokales System, um durch die Kombination von stationärem Handel und Online-Geschäft die Städte lebendig zu halten“, sagt Benjamin Wagner vom Berg über die Idee des Projekts. © Joerg Sarbach
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